Peinlich: ntv attackiert Bolsonaro mit „kruden Thesen“ zur Sexualaufklärung – hat aber nicht recherchiert

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Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro habe die Kompetenz der Weltgesundheitsorganisation WHO in Frage gestellt, in dem er – angeblich ohne jeden Beleg! – behaupte, dass sie kleine Kinder zur Masturbation und Homosexualität ermutige. Präsident Bolsonari hatte dies in einem Facebookbeitrag geschrieben und ntv nennt diese Behauptung eine „krude These“.

ntv schreibt:
„Als Grundlage für die Behauptungen diente Weintraub und Bolsonaro offenbar das 2010 gemeinsam vom WHO-Regionalbüro für Europa und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veröffentlichte Rahmenkonzept „Standards für die Sexualaufklärung in Europa“, das Experten, politischen Entscheidungsträgern sowie Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen Empfehlungen für die Sexualaufklärung von Kindern und Jugendlichen gibt. In den Standards wird darauf hingewiesen, dass sexuelle Neugier auch bei Kindern normal ist. Empfehlungen für die von Weintraub und Bolsonaro beschriebenen Verhaltensweisen finden sich in dem Konzept jedoch nicht.“

Ich möchte den Kollegen von ntv ja nicht zu nahe treten … aber hat der Verfasser dieses Beitrages mal in das Dokument hineingeguckt? Das ist vorsichtshalber im Artikel nicht verlinkt, den wer darin nachliest, wird sehr umfangreich fündig. Auf der Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist das Rahmenkonzept der WHO als PDF zu finden.

Schon in den ersten 42 Seiten, die sich mit Hintergrund, Zielsetzung, Definitionen, Konzepten Grundlagen, Grundsätzen und Zielgruppen beschäftigen, wird einem sehr unwohl bei dem Gedanken, mit welcher Rigorosität und geballter Erziehungs- und Formungsmacht man sich der Kleinsten und Wehrlosesten in puncto Sexualität bemächtigt. Ab Seite 43 findet man mehr als nur einen ganz praktischen Beleg für Präsident Jair Bolsonaros Behauptungen. Die Formulierung von ntv, dass „In den Standards wird darauf hingewiesen, dass sexuelle Neugier auch bei Kindern normal ist„, ist die Untertreibung des Jahres.

Präsident Bolsonaro hat durchaus Grund für seine Behauptungen. Man lese sich diese Broschüre einfach einmal durch. Im Übrigen fragt man sich, ob den die WHO, analog dem Vatikan für die Katholiken, eine von Gott gegebene Macht ist, de nicht hinterfragt werden darf? Ein brasilianischer Präsident übt Kritik an der WHO … ja, und? Warum ist das ein Grund für ntv, in Schnappatmung zu verfallen?

Zum Teil stimmen diese Behauptungen in der WHO-Broschüre nämlich überhaupt nicht. Ich habe selber mehrere Kinder, mein gesamter Freundeskreis ebenfalls und wir haben viel Kontakt miteinander, damals wie heute. Auch unsere Kinder sind Eltern und allein bei uns gibt es einen großen Stall von Enkeln und es kommen immer noch welche nach. Wunderbar. Es gibt also einen reichen Erfahrungsschatz im Umgang mit dem kindlichen Seelenleben.

Ich möchte hier nicht die ganze Broschüre auseinandernehmen, das nähme kein Ende. Aber als Beispiel nur eine Behauptung anführen (Seite 28): „ In diesem Alter (4-6 Jahre) sind Kinder sehr an der Fortpflanzung interessiert und stellen endlos Fragen wie: „Woher kommen die kleinen Kinder?“

Ja, in dem Alter fragen sie. Aber jeder, der Kinder hat stellt auch schnell fest, dass die Kinder sofort vollkommen verschreckt werden können, wenn man ihnen dann die volle Ladung  an Aufklärung an den Kopf knallte. Sie fragen und haben ganz schnell genug gehört. Dass Kinder aus dem Bauch der Mutter kommen, das bekommen sie sowieso beim nächsten Geschwisterchen mit. Schon bei der ersten, vorsichtigen Antwort auf die Frage, wie sie denn da hineinkommen, wollen sie nicht weiter fragen und da hat man als Eltern – oder Erwachsener überhaupt – schon aufzuhören und die Grenze des Kindes zu respektieren.

Die Kinder fragen überhaupt nicht endlos danach. Sie wollen und können das nur häppchenweise wissen und verarbeiten. Die Sexualität der Eltern ist ihnen ein bisschen unheimlich. Sie haben einen guten Instinkt dafür, dass das etwas sehr Mächtiges ist und auch etwas Animalisches im Menschen. Sie haben den Naturinstinkt, dass Sexualität auch gewaltsam und bedrohlich sein kann. Eine Triebfeder, die den Menschen nicht nur Gutes tun lässt, etwas, was auch Erwachsene nur schwer beherrschen können. Sexualität ist eben nicht nur ausschließlich und immer Spaß und auch nicht immer mit Liebe verbunden. Kinder ahnen das und schützen sich.

Das Kind sollte seine kindlichen Selbsterkundungen ungestört und in seinem eigenen Tempo machen dürfen. Weder sollten dem kleinen Menschen irgendwelche Schuldgefühle oder Ekel davor eingetrichtert werden, noch sollten sich die Erwachsenen mit Gewalt seines kleinen Körpers, seines Seelenlebens und seiner Sexualität bemächtigen. Ich habe diese Broschüre teilweise als einen drohenden seelischen Missbrauch von Kindern, eine Anleitung zur Übersexualisierung empfunden. Da rollt eine Dampfwalze über die vorsichtige Neugier und das Seelenleben von Kindern.

Das gibt man in der Broschüre ja sogar zu (Seite 29):

„Ab zehn Jahren interessieren sich die Kinder mehr für die Sexualität der Erwachsenen. Sie entwickeln stärkere Fantasien über Sexualität, hören und sehen alle möglichen Dinge in Büchern, im Fernsehen und Internet, die ihre Neugier anregen. Spricht man sie allerdings auf das Thema Sexualität an, so kann ihre Antwort durchaus schamhaft oder abweisend ausfallen.“

Ja, genau. Auch  mit über 10 Jahren wollen Kinder in ihrer sexuellen Entwicklung nicht dauernd belehrt und belästigt und bloßgestellt werden, sondern ihr eigenes Tempo der Entwicklung. Sie wollen nur Antworten auf Fragen, die SIE stellen, und das tun sie dann oft versteckt. Das kommt dann daher als eine erfundene Geschichte über einen Klassenkameraden, eine Freundin und was man den darüber denke oder was man hier und da gelesen habe –  und genauso sollte man dann auch antworten. Ein bisschen zuviel belehrend Gas gegeben – und das Kind macht „dicht“, weil es sich dann überfordert und belästigt fühlt.

Diese Broschüre ist in ihrer gnadenlosen Aufdringlichkeit gegenüber Kindern erschreckend. Auf Seite 42 geht es schon los, da wird in dem Zusammenhang sehr wohl wörtlich von frühkindlicher Masturbation geschrieben und der ganze Kontext macht sonnenklar, dass das toll und gut und förderungswürdig ist. Das geht die Erwachsenen überhaupt nichts an und das Kind sollte dabei in Ruhe gelassen werden.

Direkt darunter steht:
– lustvolle Erfahrung, körperlicher Nähe als Teil des menschlichen Lebens
– Zärtlichkeit und körperliche Nähe als Ausdruck von Liebe und Zuneigung

Zweiteres ohne Einschränkung: JA. Mit den Kindern kuscheln, in den Arm nehmen, trösten, wunderbar. Damit ist auch alles gesagt. Aber warum dann zusätzlich der kryptische Satz mit der lustvollen Erfahrung? Soll sich der Erwachsene, die Eltern, Onkel oder sonst wer sexuell lustvoll körperlich mit dem Kind befassen? So eine Formulierung ist zumindest sehr missverständlich und davon gibt es auffallend viele in der Broschüre. Da ist die Förderung der kindlichen Masturbation nur eine davon.

Die Lektüre dieser „Standards für Sexualaufklärung in Europa“ lässt viele Fragen aufkommen. Ein paar würde ich gerne stellen.

  • Wenn es nach der Meinung der Verfasser und der WHO so ist, dass die Sexualität von Kleinkindesbeinen an vollkommen frei ausgelebt und gefördert werden muss in allen ihren Facetten und in allen Bereichen, egal wie und mit wem – warum sind dann Männer, wenn sie einer Frau gegenüber Komplimente machen, galant sein wollen, sie umwerben, mit ihr Sex haben wollen (natürlichste Sache der Welt!), plötzlich Macho-Arschlöcher? Warum dürfen ausschließlich Männer heute ihre männliche Weise der Sexualität nicht leben (selbstverständlich immer im Rahmen des gegenseitigen Respekts)?
  • Warum wird der Sexualität bei Kindern soviel Förderung und Betonung zuteil, wenn gleichzeitig im Erwachsenenleben eine neue Prüderie – insbesondere in Bezug auf Frauen im öffentlichen Raum gefördert wird? Bei der kleinsten Andeutung wird die Darstellung der „Frau als Sexualobjekt“ schon als Missbrauch und Verletzung ihrer Würde gegeißelt.
  • Wenn Erwachsene das Recht haben, sich dermaßen intensiv, auch körperlich, mit der Heranbildung der kindlichen Sexualität zu befassen, wo ist das die Grenze zum sexuellen Missbrauch?
  • Wenn man so ein, noch sehr formbares, Kind dazu bringt, die sexuell betonte Annäherung Erwachsener für normal zu halten, wie will man dann die Pädophilen von den Kindern fernhalten? Diese Methode, Kinder schrittchenweise physisch und psychisch an sexuelle Handlungen mit Erwachsenen zu gewöhnen und gefügig zu machen, nennt man unter Pädophilen „Abrichten“. Das ist bekannt.

Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt.